Auf Agersø

Agersø schreibt sich zwar so, spricht sich aber Ährsö aus. Es ist eine sehr kleine Insel südlich der Brücke nach Fynn. 3km breit, 6km lang inklusive aller Salzwiesen. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Es gibt ein kleines Dorf mit einem Købmandshandel, Café, Kirche, Mühle und Kro. Mit Dorfteich und kleinen z.T. reetgedeckten bunten Häuschen. Es ist beschaulich, ruhig und entspannt. Insgesamt leben hier 120 Leute, man kennt sich untereinander und hat eine Gemeinschaft. Es gibt Ferienhäuschen für Touristen und im Juli ist natürlich auch etwas los. Am letzten Juli Wochenende gibt es das Insel Fest, da kommen dann auch alle wieder her, die inzwischen fortgezogen sind. Die Fähre braucht 15 Minuten und fährt einmal jede Stunde in beide Richtungen. Im restlichen Jahr ist es hier sehr ruhig und ich denke mal, wem eine Hallig noch zu viel Trubel bedeutet, der sollte hierher kommen. So viel ist hier los. Ich finde Agersø sehr hübsch und entspannt.

Auf die Insel aufmerksam gemacht wurde ich von einer Dänin letzten Sonnabend. Sie war mit Mann und zwei Enkelkindern unterwegs und sprach mich an. Die üblichen Fragen: woher, wohin, wie lange unterwegs, was als nächstes. Wenn ich meine Erzählung dann beende mit „now i am in Denmark, saving the best for last“ bekomme ich manchmal einen Bonus und dieser Bonus war in dem Fall ihre Geschichte mit Agersø und dass ihre Eltern hier ein Sommerhaus hatten und es wunderschön sei. Sie erzählte mir auch noch, wie ich hinkomme und wie es danach weitergehen könnte mit meiner Tour. So schnell konnte ich das alles gar nicht aufnehmen, merke mir ein bisschen und als ich es mir später auf der Karte anssah, dachte ich, jo das passt. Deshalb bin ich hierher gefahren.

Agersø ist so groß, dass man in knapp 1,5 Stunden mit etwas Beeilung alles gesehen haben kann und wenn man sich Zeit lässt, braucht man einen halben Tag, mit Mittagessen und Brombeeren pflücken und rumtrödeln einen ganzen. Ungefähr. Es gibt auch Leute, die kommen hier seit 40 Jahren her immer für 1-3 oder 3 Wochen.

Als ich dort ankam zeigte ein Campingschild nach rechts für Autos und eins für Zelte nach links. Von dem rechten wusste ich, das war direkt am Meer, von dem linken wusste ich nicht, also fuhr ich rechts, 200m später war ich da. Es war fürchterlicher Südost Wind, bedeutet also, Windschutz ist notwendig. Der Eigentümer des Platzes ist Knut und üblicherweise ist er nicht da. Er kommt nur zu besonderen Gelegenheiten mal vorbei, das erklärt sich gleich. Da alles etwas unübersichtlich ist mit Wohnwagen, sprach ich einen anderen Zelter an ob er da auf der Zeltwiese stünde und bekam als Antwort, dass ich da nicht mehr hin könne. Hmm. Ich guckte weiter rum und sprach ein Grüppchen dänischer Rentner an. Das war mein Glück. Zunächst zeigten sie mir Knuts Telefonnummer, dem quatschte ich auf die Voice Mail Box, setzte mich in den Schatten und wartete. Das kam den Rentnern jedoch seltsam vor und sie konnten sich das nicht mit ansehen. Fragten mich erst, was los sei, riefen dann selbst bei Knut an, erklärten ihm was los ist und das ja eigentlich sein Platz ist und wie denn nun mit mir zu verfahren ist. Dann erklärte mir einer, wo ich gut aufbauen könnte. Ein anderer erläuterte, wo ich was finde. Erstmal aufbauen. Während ich anschließend duschte, schleppten zwei von ihnen mir eine Picknickbank Garnitur herbei. Ich war das erste Mal sprachlos und bedankte mich für die Fürsorge. Doch bevor ich weiter in Kontakt kam mit dem Rentner Grüppchen lernte ich Bjarne kennen. Ich inspizierte die Küche und als einer reinkam, fragte ich ihn, ob er Knut sei. Nein, er sei Bjarne. OK. Bjarne ist 79 und sollte eigentlich spülen auf Anweisung seiner Frau. Stattdessen setzte er sich erst Mal hin und fragte mich nach meiner Tour. Dann erzähle er mir seine halbe Lebensgeschichte, das war zum Teil sehr witzig. Nach einer halben Stunde erinnerte er sich an den Abwasch und ich ging zum Zelt zurück. Da kam dann sogleich Grue an, eine der Rentnerinnen, sie ist Norwegerin, lebt aber seit 37 Jahren in Dänemark. Ob ich vielleicht ein Bier oder Wein mit trinken möchte. Da ich auf Alkohol verzichte, nahm ich meine Wasserflasche und setzte mich dazu. Die Runde wurde irgendwann immer größer. Auch Knut tauchte irgendwann auf, teilte mir mit, dass ich einen schönen Platz hätte für mein Zelt und verschwand wieder. An kassieren dachte noch keiner. Irgendwann verschwanden Grue und Mone zum kochen, ich schloss mich an. Weiter quatschen in der Küche. Schlussendlich deckten sie dann ihre Tafel und für mich mit, ich musste unbedingt gebratenen Aal und selbstgefangene und geräucherte Makrele probieren. Beides war sehr lecker.
Ich habe diese Geselligkeit, Spontanität und Leichtigkeit sehr genossen. Und ich war sehr dankbar für die Hilfe von den Leuten. Wir hatten gute Gespräche. Grues Mann ist Biologe und hat in seinem Berufsleben Beratung für Ökosysteme gemacht. Wir hatten eine Wellenlänge was Naturschutz und auch politische Ansichten angeht. Es hat großen Spaß gemacht. Irgendwann habe ich versuchsweise das Thema Frieden und Alternativen zu Aufrüstung und Gewalt angerissen und die Idee einer Konferenz zu dem Thema stieß auf große Begeisterung. Allgemeine Meinung war, dass es so etwas noch nicht gibt.
Es war wirklich ein sehr schöner Abend.

Am nächsten Tag habe ich mir die Insel angesehen und sehr gemütlich gemacht. Es war ein sehr beschaulicher Ort. Knut musste ich noch mal anrufen wegen Bezahlung und er kam heute, kurz bevor die Fähre fuhr, noch einmal zum Platz. So entspannt war es auf Agersø.
Nun bin ich heute schon 74km weiter bei Vordingborg. Es geht Richtung zu Hause und inzwischen freue ich mich darauf. Dänemark ist ein wunderbarer Abschluss meiner Reise. Ich mag die Offenheit und Kontaktbereitschaft der Leute. Es sind fast überall Radwege. Und fast immer gibt es die Möglichkeit zu baden. Herrlich.


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