Mit dem Feuer spielen

Sowohl in Schweden als auch in Finnland als auch in Estland war es wegen Trockenheit streng verboten offene Feuer zu entzünden. Nicht nur im Wald, auch auf Zeltplätzen. In Estland gab es spezielle Kamine von der Forstbehörde RMK, die waren sicher und durften genutzt werden, weil es keinen Funkenflug geben konnte mit ihnen. Überhaupt scheint es mir, als würde auf den meisten Zeltplätzen, die ich bisher und nicht nur auf dieser Reise besucht habe, das Anzünden von offenem Feuer verboten sein. Ich habe mich immer gewundert, warum man das verbieten muss. Ich hielt es für eine Selbstverständlichkeit, dass man es nicht macht. Ich meine, wie schnell fängt etwas Feuer und gerät außer Kontrolle. Ich bin in einer im Sommer sehr trockenen Gegend aufgewachsen, da hat man sich an den großen Brand 1975 erinnert, das war fürchterlich. Das will keiner nochmal haben.

Seitdem ich nun seit 2 Wochen in Polen unterwegs bin, weiß ich, dass es offensichtlich immer noch allen Grund gibt zu warnen. Leider warnt hier nur keiner, hier ist die große Sorglosigkeit. Sie ist so groß, dass ich mir Freitag/Sonnabend, wenn die lokalen Wochenende Ausflügler unterwegs sind, lieber ein Zimmer nehme.

Am ersten Sonnabend war ich auf einem Platz an einem See, dort konnte man entweder auf der blanken Wiese unter sengender Sonne aufbauen oder in einem trockenen schattigen Kiefernhain. Ich nahm letzteres. Es war ein schrecklicher Platz nur gab es in radelbarer Entfernung keine Alternative. Von einer anderen Stelle am Ufer dröhnte ein polnisches Pop Konzert herüber, von der anderen Seite hatte eine Gruppe andere Musik aufgedreht, ich war genau dazwischen. Um 22.30h entschied diese Gruppe dann, ich glaube es war eine Familie, ein Lagerfeuer mitten im trockenen Kiefernhain anzuzünden. Ohne Sicherung, Feuerring oder Schale mit Funkenflug und Alkohol und aller Unaufmerksamkeit, die eine Party ausmachen kann. Ich hatte kurz überlegt ob ich sie ansprechen soll, entschied mich dann dagegen, es war ein Bauchgefühl, hätte ich mal eine Woche später genauso gehandelt. Stattdessen habe ich, Stirnlampe sei Dank, alles rudimentär eingepackt und aufs Rad verfrachtet, mein Zelt abgebaut und am anderen Ende des Platzes auf offener Wiese im Tau schnell wieder aufgebaut. Die Aktion hat keine 20 Minuten gedauert, dann war es gut. Da war noch alles gut gegangen.

Sechs Tage später, am folgenden Freitag, wieder ein Platz am See, jetzt in den Masuren, richtig tolle Badestelle, keine Partys. Beim Aufbau achte ich inzwischen auf möglichst großen Abstand zu Feuerstellen und auf den Wind. Ich stand ca 40 Meter weg von einer Familie, die den lieben langen Tag damit zubrachte am Feuer zu sitzen bei Sonnenschein und 33 Grad im Schatten. Leider hatte ich am nächsten Morgen ein Eurostück großes Loch im Außenzelt an einer Stelle, wo es nicht hingehört. Funkenflug. Ich habe mich geärgert und das Loch geflickt.
Vielleicht noch dazu erwähnt: das ist kein 30€ Aldi Zelt. Das ist ein ultraleichtes silikonisiertes Rippstop Nylon Zelt, das wiegt inklusive Zubehör unter 2kg und lässt sich auch bei Regen sehr schnell und überwiegend trocken aufbauen. Das ist genau für solche Abenteuer wie meines hier gemacht und wird von mir in den 5 Jahren wo ich es habe, eher sehr vorsichtig wie ein rohes Ei behandelt und gehegt und gepflegt. Jetzt ist es perforiert wegen unachtsamen und unnützen Umgang mit Feuer. Und ja: billig war das Zelt auch nicht.

Die Krönung passierte jedoch erst in der darauffolgenden Nacht. Wieder ein kleiner Platz am See, nette Badestelle, alles super sauber, sogar die Geräte auf dem Spielplatz wurden täglich gereinigt. Ein Schwanenpaar zog dort drei Küken auf, da musste man etwas aufpassen und einen großen Bogen darum herum machen. Sonst war zunächst alles gut.
Ich baute unter Birken maximal entfernt von der Feuerstelle und in abweisender Windrichtung. Ich war erst die einzige dort. Leider kam dann noch eine Familie: drei Erwachsene und vier Kinder, die jüngste ca 5 Jahre alt. Die fuhren direkt mit den Autos vor und ich zog schnell mein Rad weg, damit es keinen Schaden nimmt. Sie bauten direkt neben mir. So, als gäbe es sonst keinen weiteren Platz mehr. Dabei war sonst keiner weiter da. Sie breiteten sich hübsch aus. Ich ignorierte die auf einem Picknick Platz abgestellte Handtasche und kochte mein Abendessen, schrieb noch Tagebuch und verschwand dann von der Bank. Kurz darauf breiteten sie ihren halben Hausstand dort aus und beließen ihn dort auch. Alles direkt neben meinem Zelt. Nunja. Ich ging irgendwann früh schlafen, denn der Tag war sehr fordernd gewesen. Um 21 Uhr schickte die Familie die jüngste ins Bett und machten dann ein Lagerfeuer an. Inklusive lauter Musikbeschallung aus der Konserve. Um 23 Uhr ging ich hin und bat um etwas Ruhe, sagte ihnen, dass ich sehr müde war und schlafen wolle, dass ich am nächsten Tag abreise und sie dann gerne die ganze Woche feiern könnten. Die Antwort auf meine Bitte war: a-ha.
Sie müssen mich komplett missverstanden haben.
Als erstes kam großes Palawer, nachdem ich wieder im Zelt war. Dann weckte jemand die jüngste Tochter, die war auch erst etwas quengelig. Sie legten dann weiter Holz nach, stellten die Musik lauter, nutzten eine Taschenlampe für Blitzlicht und machten Disco. Bis 2 Uhr morgens. Ich wurde um 5 Uhr wieder wach und fand weitere Löcher im Außenzelt.
Ob mich das ärgert? Nein, es macht mich eher fassungslos und traurig. Es war alles so unnütz, ich verstehe nicht wieso Menschen so etwas machen. Es ist doch viel schöner friedlich und freundlich miteinander umzugehen. Vielleicht wäre es besser ausgegangen, wenn ich nichts gesagt hätte sondern einfach abgebaut und woanders aufgebaut hätte. Ich wollte es im Dialog lösen und das funktionierte nicht.

Am folgenden Morgen war ich trotzdem um 5 Uhr wach. Gegen 6.30 Uhr stand ich auf. Ich weiß, dass ich für das, was ich dann tat, nicht in den Himmel kommen werde. Daß Rache hässlich ist und man Böses nicht mit Bösem vergelten sollte. An dem Morgen habe ich sehr laut singend und noch schiefer pfeifend als sonst alle meine Routinen erledigt: aufräumen, frühstücken, einpacken. Das dauert immer seine Weile und ich habe mich nicht beeilt sondern mit geschmetterten Liedern den Morgen begrüßt. Und das hat ungeheuer Spaß gemacht und noch besser ist: die Blicke, als diese Menschen sich aus den Zelten puhlten, haben mir gezeigt, dass es funktioniert hat.

Um Feuerplätze mache ich jetzt jedoch einen noch größeren Bogen. Und ich hoffe sehr, dass die ganzen Flicken halten werden.


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