Ich bin in den letzten Tagen dankenswerter Weise von ein paar Menschen gefragt worden, wie es mir gerade geht. Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich es sehr genieße, so mit einzelnen in Verbindung und in Kontakt zu sein, in Erinnerung zu bleiben. Es gibt mir Zugehörigkeit, Verbundenheit und das Wissen darum, wichtig zu sein für einzelne. Das ist wunderbar, denn so bin ich nicht völlig losgelöst frei schwebend.
Morgen werden es fünf Wochen sein, dass ich mich auf den Weg gemacht habe. Wenn ich darüber nachdenke, mir diese Zahl vorstelle, dann ist es so unfassbar lange, dass mein Gehirn es immer noch nicht erfasst und verarbeitet bekommt. Da ist dann vor allem so eine riesige Dankbarkeit dafür und Freude darüber. Das ist so viel Dankbarkeit und Freude, dass mir die Tränen manchmal in den Augen sind.
Welch ein Geschenk.
Es ist eine Freude und Dankbarkeit dafür, wirklich gerade die Gestalterin meines Weges zu sein. Autonomie zu erleben, Selbstwirksamkeit zu erfahren, Gestalten zu können, Spontanität leben zu können und gleichzeitig durch die Struktur des Radeltages gehalten zu werden. Da ist auch Freude über das Abenteuer, den ständig neuen Herausforderungen und zu erleben, dass ich das bewältigt bekomme.
Es ist ein Genuss für mich, Zeit und Ruhe zu haben die Menschen und die Dinge beobachten zu können, immer wieder neu zu entscheiden, bleibe ich Beobachterin, werde ich aktiv, wie will ich mit einer Situation umgehen.
Was da aber auch und immer wieder ganz viel ist, ist die völlige Fassungslosigkeit über die Schönheit, die in so vielen Dingen und Begegnungen steckt und die immer wieder sichtbar wird. Manchmal überwältigt sie, weil sie so offensichtlich ist. Das waren für mich beispielsweise die Schären, die unermessliche Weite des finnischen Waldes oder aber auch zu sehen, auf welche Art in finnischen Familien mit Kindern umgegangen wird. Manchmal zeigt sie sich jedoch auch im Stillen, wenn ich mir nur die Zeit nehme zu betrachten, den Blickwinkel zu wechseln oder Zusammenhänge erkenne.
Manchmal habe ich in den letzten Tagen den Eindruck, ich bin klarer in dem, was ich will und zielstrebiger. Wenn ich etwas will, dann ist weniger drumrumdenken ob oder ob doch nicht. Sondern es ist eher ein klares nix wie hin jetzt sofort. Es wird mir immer gleichgültiger, was andere darüber denken könnten. Vielmehr ist es ein ’so will ich das und dann ist es auch gut‘. Vielleicht kann ich es mit einer inneren Freiheit bezeichnen.
Physisch ist es manchmal eine Herausforderung. Vorige Woche waren es an einem sehr warmen Tag 86km mit insgesamt 770m rauf und runter insgesamt. Das ist anstrengend. Auch die vielen Regentage danach waren fordernd, wenn es wirklich nahezu die ganze Strecke regnet und es nur noch 11-13 Grad hat. Nach sechs Radeltagen am Stück gab es Momente, wo keine Kraft mehr da war. Als hätte jemand den Stecker von der Energieversorgung gezogen und auch kein Riegel, Mettwurst oder Himbeer Trinkjoghurt mehr halfen. Doch auch da wieder: wie schön, dass es kein Stillstand gibt sondern immer wieder Regeneration, Erholung und neue Kraft schöpfen. Und wie schön, das bewusst erleben und spüren zu können. Wie schön, in dieses Erkennen eintauchen zu können. Vielleicht ist das ja auch die Dankbarkeit mich so lebendig fühlen zu dürfen.
Und ganz klar: viel Regen am Stück nervt mich schon auch kolossal. Wie gut dann auch mal tüchtig darüber zu schimpfen.
Ein Geschenk sind für mich auch die immer neuen Begegnungen mit Menschen. Es ist spannend und lehrreich zu sehen, wie andere es so haben und die Dinge angehen, was sie so machen. Es ist auch schön, die eigene Selbstwirksamkeit im Kontakt mit anderen zu erleben und manchmal ist es auch einfach nur komisch oder lustig, wenn unterschiedliche Lebenswirklichkeiten aufeinander prallen und jedeR neu lernt von der anderen Person. Als ich zB neulich gefragt wurde, ob ich mir bei dieser Art des Reisens wirklich die Zähne noch putze, merkte ich auf einmal, dass ich schon auch ein Hygienefreak bin. Das ist ziemlich komisch und lustig, denn Putzen zB finde ich ganz fürchterlich.
Dadurch, dass ich alleine reise, merke ich bei mir eine größere Offenheit auf andere Leute zuzugehen und neugierig zu sein. Es ist schön, einfach neugierig zu fragen, warum und wie manche Sachen bei anderen so sind und es ist toll zu erleben, wie entwaffnend diese Offenheit ist und was ich alles so erfahre. Manchmal sind die Leute allerdings vielleicht auch etwas einsam und freuen sich darüber, dass jemand zuhört. Dann ist meine Herausforderung, solche Situationen zu einem guten und schnellen Ende zu bringen ohne zugetextet zu werden.
Bin ich manchmal einsam? Ja, ganz sicher. Dann geht es darum einen Weg zu finden damit umzugehen und es zu verändern. Meist bin ich allerdings eher alleine und das wiederum ist ganz schön.
Manche Dinge lassen sich vielleicht durch Musik besser ausdrücken und ein Lied, welches ich in den letzten Wochen häufiger gesungen habe (neben meinem persönlichen musikalischen Reiseproviant. Danke noch einmal dafür, Gerhard), das Lied jedenfalls, das ist dieses hier: <https://youtu.be/SDk6lSLz56E?si=V4b7_st1BDH0Sath>
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