Am Celler Bahnhof

Ich stand in Celle am Bahnhof. Ich kann jetzt keine genaue Jahreszahl mehr angeben, es muss lange vor 2003 gewesen sein. Ein Sonntag Nachmittag, es war kalt und zugig doch die Sonne schien. Irgendwann im Winter. Ich wartete auf den Zug Richtung Hannover, befand mich auf dem Weg zurück nach Aachen.

Plötzlich sprach mich ein älterer Herr an, er hatte einen langen schwarzen Mantel an, schlohweißes wirres und etwas abstehendes Haar, einen freundlichen Blick. Er grüßte mich, wünschte mir einen guten Tag, nickte mir freundlich zu. Ich grüßte zurück, er erkundigte sich nach meinem Ziel und wo ich hin wolle, wieso ich in Celle gewesen war. Ich war verunsichert, mir war das zuvor noch nie passiert: das mich jemand völlig unbekanntes ansprach und mit einer Direktheit ein Gespräch begann, eine Konversation betrieb, als wären wir uns gerade zu einem Diskussionskreis bei gemeinsamen Bekannten begegnet. Als seien solche Gespräche zwischen einander völlig fremden Menschen völlig normal.

Er erzählte mir von sich, wer er sei und was seine Aufgabe ist. Er stellte sich vor, teilte mir mit, dass er der Vorsitzende der Lagergemeinschaft Dachau sei, also der Gefangenen. Ob ich davon gehört habe und wisse, was das gewesen sei. Ja, natürlich. Und dann erzählte er mir, dass er die letzten Tage vor Schülern in Celle gesprochen habe, aber auch vor Erwachsenen. Dass er für die Demokratie und gegen das Vergessen antritt, seine eigene Geschichte erzählt, dass er dieses traurige Kapitel der Vergangenheit in Erinnerung rufen möchte, damit die Menschen wachsam sind und so etwas nie wieder passiert.

Ich war zu tiefst berührt. Von seiner Energie, seiner warmherzigen Ausstrahlung, seiner Unermüdlichkeit, seiner höflichen Freundlichkeit, seiner Würde. Er war durchdrungen davon.

Wir wünschten einander am Ende des Gesprächs einen schönen Tag und eine gute Reise.


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